bsh logo384x173

Thomas Putze, „Bauernkriegsfamilie“
Jerg Ratgeb Pfad, Station 14
Beitrag der Bürgerstiftung Herrenberg
Eröffnung am 14. 04. 2013<
Einführung Prof. Dr. Helge Bathelt, M.A.

Es wird jetzt Schlag auf Schlag gehen und das muss auch so sein. Ein Projekt wie dieses darf sich nicht ziehen wie Strudelteig. Es darf nicht an Dynamik verlieren und muss seinen Willen zur Vollendung hoch halten. Erst dann hat jeder das Seine getan, wenn dieser Pfad komplett steht.

Zuerst sind nun Danksagungen angezeigt und es ist mir als dem Projektpaten Anspruch und Vergnügen zugleich, sie vornehmen zu dürfen.

1. Der erste Dank gehört natürlich der Bürgerstiftung für Finanzierung, Presse-Begleitung und Organisation. Helga Kredatus war der Motor der Stiftung in dieser Sache und nimmermüde Unterstützerin.

2. ganz oben auch: Roland Maier, Bauunternehmer aus Gültstein. Ohne ihn wäre bzgl. der Aufstellung nichts gegangen. Material, Werkzeug und KnowHow kommen von ihm. Seinen besten Mann, nämlich Werner Zeeb, hat er für die Mithilfe freigestellt. Wir bitten ihn herzlich: weiter dabei zu bleiben!

3. Götz Zinser aus Kuppingen haben wir für die Metall-Befestigungen zu danken.

4. Ein herzliches Dankeschön auch an die Helfer Mario Fritsch, Lutz Benedix, Jan-Henry und Oliver Barthel. Letztere ganz passend Schüler der Jerg-Ratgeb-Realschule. Geholfen haben auch Raphael und Lucia, die Kinder des Künstlers.

5. Dank auch an den Chef des Schlosskellers Stephan Heinrich für seine großzügige Betreuung und Bewirtung von Thomas Putze während der bildhauerischen Arbeiten und der Helfer während des Aufbaus

6. Stephanie Brachtl für unermüdliche Anwesenheit, Bewirtung, Foto-Dokumentation und großzügige moralische Unterstützung

7. Herzlichen Dank auch an Andreas Hank, Revierleiter vom Forstrevier Herrenberg, für die Durchführung der Pflegemaßnahmen

8. Die Copythek Weber hat mit Kopien-Material geholfen.

9. Herzlichen Dank auch an den Gäubote für Presse-Begleitung, besonderer Dank dabei an Gaby Pfaus-Schiller

10. Die Herren Maisch und Stingel von der Stadtverwaltung für’s “amtliche Hand-drüber-Halten”

11. Last but not least: großer Dank dem Sprecherteam des Jerg-Ratgeb-Skulpturen-Pfad mit Walter Grandjot, Stephanie Brachtl und Stefan Heinrich.

Heute gilt unsere ungeteilte Aufmerksamkeit dem dritten Werk in der Reihenfolge realisierter Beiträge. Thomas Putze hat mit seiner „Bauernkriegsfamilie“ ein Zeichen gesetzt. Setzen wir uns mit diesem Werk nun auseinander.

Die größte Tradition der Darstellung eines leidenden Menschen hat die des Gekreuzigten. Christus war entweder als „triumphans“ oder als „patiens“ dargestellt, d.h. im Zustand des überwundenen Leidens oder als geschundener und sterbender Mensch. Es ist unmöglich, eine plastische Vorgabe von einer solchen Bedeutung und Verbreitung auszuklammern und das ist vor allem dann unmöglich, wenn an der Figur fest gehalten wird. Natürlich hat sich die Kunst nicht auf religiöse Themen beschränkt, sondern sich der Vielfalt auch im Leiden gestellt. Nur bezogen auf eine überschaubare Vergangenheit tut sich vor uns ein weites Feld auf von Rodin bis Hrdlicka.

Zu den bedeutenden Darstellungen menschlichen Leidens wird zweifelsfrei auch die „Bauernkriegsfamilie“ von Thomas Putze gehören. Eine solche weit gehende Bewertung muss sich am Werk ausweisen. Gegenüber ersten Entwürfen hat Putze die Gruppe auseinander gerissen. Das entspricht seiner dynamisch – dialektischen Arbeitsweise. Der enge familiäre Verbund als verzweifelter Versuch von Geborgenheit ist aufgegeben worden zugunsten der Darstellung vervielfachten Leidens: nämlich dem des getrennt Werdens und dem dadurch multiplizierten Leid des auseinander gerissen Seins, der verlorenen Schutzmöglichkeit für die anderen und die trostlose Einsamkeit isolierten Beschädigung.

Zur Vereinzelung tritt hinzu, dass die Figuren auch des elementaren Schutzes der Kleidung beraubt sind. Die Folterer aller Zeiten wissen, wie wirksam das ist. Diese Entblößung wird von den Figuren unterschiedlich aufgenommen. Sie siedelt zwischen Verzweiflung und letzter Würde. Der Bildhauer setzt dabei den Torso absichtsvoll ein. Er kann sowohl als Zeichen von vernichtender Fragmentierung wie auch als Mittel hinreichender Repräsentanz verstanden werden, die auf ein Wesentliches fokussiert.

Die Figuren der Bauernkriegsfamilie sind mit Stahlseilen verbunden. Eigentlich assoziieren wir mit dem Stahlseil heute eine Sicherungsfunktion. Wir kennen es vor allem von Bergbahnen oder in Verbindung mit moderner Architektur. Als sichernd kann es hier – inhaltlich – nicht verstanden werden, denn dazu ist die Verankerung in den Figuren zu brutal. Aneinander gekettet geht auch nicht, denn ein Stahlseil ist keine bloße Modernisierung von Kette, sondern gewandelte Bedeutung.

Auf diesem Weg entsteht ein Hinweis für den Betrachter: Die Materialien mögen sich geändert haben und unser Begreifen mit ihnen, aber die Optionen für ihren Einsatz sind gleich geblieben. Wie die Kette schließen, verbinden und auch trennen konnte, so kann das auch vom Stahlseil geleistet werden. Wir sollten uns nicht täuschen lassen.

Besonders suggestiv in diesem gesprengten Ensemble die isolierte überdimensionierte rechte Faust, die hier für zerstörte Kraft und gebrochenen Willen steht, aber durch ihre Hervorhebung ein bildmächtiges Symbol bleibt und zur Mahnung wird, die über ein jeweilig einzelnes Scheitern hinaus geht. Der ausgestreckte ebenfalls überdimensionierte linke Arm endet in einer geöffneten Hand: seit Michelangelos römischer Pieta ein Gestus für Ohnmacht und Verzweiflung.

Im Rahmen dieses Themenpfades erinnert Putze mit seiner „Bauernkriegsfamilie“ einerseits an das historische Geschehen, verbindet die Erinnerung aber andererseits mit allem, was Leiden auch in unserer Zeit ist. Diese Art aktualisierter historischer Erinnerung ist eine zentrale Intention des gesamten Projekts.

Selbstverständlich verbinden sich im Ratgebpfad grob vernachlässigte Historie mit einer Demonstration der Defizite, die auf dieser unserer Welt Alltag sind.

Zurück